Die Musik

Das SEB möchte die Besonderheit und Schönheit der Gesänge der jüdischen Liturgie einem großen Publikum nahebringen und zeigen, dass es in diesem Musikgenre viele Ähnlichkeiten zur abendländischen Musik gibt, aber auch besondere Klänge, musikalische Motive wie auch die fast ausschließliche hebräische Sprache, die den Aufführungen einen besonderen Zauber verleihen. Ein Musikgenre, das von Musikkennern besonders geschätzt wird.

Im Laufe von schon mehr als 20 Jahren seines Bestehens hat das SEB ein großes Repertoire synagogaler Musik erarbeitet, dessen breitgefächertes Spektrum von der Barockzeit über Kompositionen des 19.Jahrhunderts aus West-, Ost- und Südeuropa und Chorwerken aus Israel bis zu Werken der Moderne reicht.

Louis Lewandowski in Berlin

Das besondere Interesse gilt dabei den Reformen des großen jüdischen Komponisten Louis Lewandowski (1821-1894), durch die der Gottesdienst um die Elemente Chorgesang und Orgelbegleitung erweitert wurde.

Lewandowski gilt zu Recht als Vollender und Meister der Reform der jüdischen Liturgie. In seinen Kompositionen für den jüdischen Gottesdienst verschmolz er die traditionellen, orientalischen Synagogalgesänge mit der abendländischen klassisch-romantischen Harmonik seiner Zeit und schöpfte die sich dadurch ergebenden musikalischen Möglichkeiten voll aus.

Dort, wo traditionell nur ein Kantor a cappella durch den Gottesdienst leitete, führte er zusätzlich Chor und Orgelspiel ein. Der Kantor wird – opernähnlich – zum Solisten, der von Orgel und Chor szenisch unterstützt und hervorgehoben wird.

Von professionellen Sängern vorgetragen, werden die liturgischen Gesänge so auf eine einzigartig bewegende Art zu musikalischem Leben erweckt und der Gottesdienst zu einem Konzert-Erlebnis.

Damit brachte Lewandowski das neu erblühte kulturelle Selbstbewusstsein der deutschen Juden des 19. Jahrhunderts musikalisch zu vollendetem Ausdruck und leistete wegweisende Arbeit für die Entwicklung der jüdischreligiösen Musik weit über die eigene Berliner Gemeinde hinaus.  Er beeinflusste die Liturgie in ganz Deutschland und Europa und später entstanden durch die Emigration weltweit neue Synagogalmusik mit lokaler Einfärbung.

Seine Musik prägte nicht nur den Gebetsstil in Synagogen Berlins und des deutschsprachigen Raumes, sondern hatte ihren Einfluss bereits im 19. Jahrhundert auf viele andere kulturelle Zentren in Europa wie auch im 20. Jahrhundert in Israel und den USA.

Synagogalmusik in Europa im 17.-19. Jahrhundert

Während im 19. Jahrhundert die Entstehung einer neuen Synagogalmusik eng verknüpft war mit der Aufklärung und der Schaffung der gleichen Rechte für Juden in der Gesellschaft, die sog. Emanzipation, gab es ein ähnliches Phänomen bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts in der kleinen italienischen Stadt Mantua, in der Juden zwar in ihrem Stadtteil (Ghetto) wohnen mussten, sich jedoch am Tage frei in der nichtjüdischen Gesellschaft bewegen und arbeiten konnten.

Salamone Rossi (1670-1728), der als Musiker und Komponist am Hofe von Mantua angestellt war, schrieb im Laufe von vier Jahrzehnten zahlreiche Instrumental- und Vokalwerke mit weltlichen Texten. Und er war der erste jüdische Komponist, der eine Sammlung von 33 Motetten mit hebräischen Gebetstexten herausgab.

War Berlin mit Louis Lewandowski das Zentrum der Synagogalmusik und Vorbild für Komponisten, die den Geist der Erneuerung in ihren Kompositionen verwirklichen wollten, so ist im gleichen Atemzug Salomon Sulzer (1804-1890) in Wien und später Max Löwenstamm (1814-1881) in München zu nennen. Salomon Sulzer war der erste Chasan im modernen Europa, der durch seine außerordentlichen musikalischen, intellektuellen und charismatischen Fähigkeiten bestach. Viele Kantoren aus ganz Europa reisten zu ihm, um bei ihm zu lernen. Seine Reformen waren Inspiration für Samuel Naumbourg (1817-1880) in Paris wie auch für Komponisten der sog. Chorschultradition in Osteuropa u.a. mit Zentrum in Odessa. Naumbourg, ausgestattet mit einer soliden Ausbildung der traditionellen Gesänge aus Süddeutschland und Wien, verband diese mit den Einflüssen der französischen Kunstmusik und Oper zu einzigartigen Kompositionen.

Auch in der osteuropäischen Chorschulmusik findet sich eine Weiterentwicklung des Musikstils aus Wien und Berlin.  Wir erleben hochemotionale, hochromantische Musik für Chor, Orgel und Kantor, die sich einerseits an der traditionellen Gottesdienstmusik orientiert, sie mit „russischer Seele“ durchdringt und weiterentwickelt. Vertreter sind u.a. Abraham Dunajewski (1843-1872), Wolf Schestapol (1832-1872), David Nowakowski (1848-1921) und Samuel Alman (1877-1947)

Israel

Aus dem 20. Jahrhundert gibt es viele Komponisten aus Europa, die nach Israel fliehen konnten, wie z.B. Paul Ben-Haim (1897-1984), ehemals bekannt Paul Frankenburger aus München, der durch seine Beschäftigung mit den verschiedenen Einflüssen verschiedener, auch orientalische Volksmusiken eine neue moderne israelische Musik schuf.

Nordamerika

Aus der amerikanischen liturgischen Musik wendet sich das SEB den Kompositionen von europäischen Komponisten, die in den 30er/40er Jahren in den USA eine neue Heimat fanden. Darunter sind zu erwähnen Kurt Weill (1900-1950), Max Janowski (1912-1991) und Mario Castelnuovo-Tedesco (1895-1968) wie auch zeitgenössischen Komponisten aus den USA. Als Beispiel sind hier zu nennen: Charles Davidson (*1929), der liturgischen Texte mit jazzigen Motiven untersetzt, Ben Steinberg (1930-2023) und Meir Finkelstein (*1951), deren Kompositionen weit über die Grenzen der Synagogen verbreitet sind.

Repertoire